Psalm 23 - Keine Angst!

Diese Predigt habe ich im Internet gefunden. Ich fand sie echt super.


Liebe Schwestern! Liebe Brüder!
Ein Erstklässler steht vorne im Klassenzimmer und soll den anderen erzählen, was er werden möchte, wenn er groß ist. Etwas zaghaft fängt der kleine Junge an: „Also, wenn ich groß bin dann...“. Er überlegt kurz und grinst dann zuversichtlich. „Wenn ich groß bin, dann werde ich zum Zirkus gehen und dort ein Löwenbändiger sein. Ich werde ganz viele wilde Löwen habe. Dann werde ich in den Käfig hineingehen und die Löwen werden laut brüllen und fauchen...“

An dieser Stelle hielt der Junge inne und er kam ins Nachdenken über das, was er gerade gesagt hatte. Und er ergänzten dann: „Aber ich werde natürlich meine Mama mit dabei haben.“
Ja, manchmal träumen wir davon, wie das Leben wäre, wenn wir richtig mutig wären und keine Angst hätten. Wir träumen davon, jeder Gefahr ohne mit der Wimper zu zucken ins Auge schauen zu können. Aber wenn wir dann realistisch werden merken wir, dass wir sehr wohl von vielen Ängsten bestimmt werden und dass dieses angstfreie Leben ein schöner Traum bleibt.
Auch in Psalm 23 geht es um das Thema Angst und Vertrauen. Klaus Douglass schreibt zu diesem Psalm, dass Gott der gute Hirte ist, der uns in die Freiheit führen möchte. (Douglass/Vogt: Expedition zum Ich, S.76) Er möchte uns nicht einsperren, sondern er leitet und führt uns zur wahren Freiheit. Dazu gehört für Douglass dann unter anderem, dass wir uns vor nichts mehr fürchten brauchen. Er sagt: „Freiheit heißt, vor nichts mehr Angst haben zu müssen.“
So sagt es ja auch der Psalm 23: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“
Mich haben diese Aussagen angesprochen und herausgefordert. Wie ist das in meinem Leben? Bin ich wirklich in diesem Sinne frei? Habe ich vor nichts mehr Angst, weil Gott bei mir ist? Und ich muss zugeben: Ich bin weit davon entfernt. Auch als Christ habe ich noch jede Menge Ängste. Ich habe viele Befürchtungen, die mich und mein Leben bestimmen. Das sind manchmal Ängste, die mir bewusst sind. Aber oft sind es einfach Ängste und Gefühle, die sich im Unterbewusstsein abspielen, die aber gerade deswegen mein Leben und Handeln prägen.
Ich denke inzwischen, dass es gar nicht möglich ist, ein Leben ohne Angst zu führen. Es geht ganz einfach nicht. Als Menschen haben wir es unser Leben lang immer wieder neu mit Ängsten zu tun. Wir können das nicht einfach abstellen.
Klaus Douglass schränkt seine Aussage dann auch selbst ein. Er sagt, dass es natürlich auch durchaus berechtigte und gute Ängste gibt. Ängste, die uns vor realen Gefahren warnen und bei denen wir gut daran tun, wenn wir darauf hören.
Wenn vor mir z.B. ein tatsächlich wilder Löwe stehen würde, dann wäre meine Angst durchaus berechtigt. Anstatt dass ich versuche, ihn zu streicheln, sollte ich lieber auf meine Angst hören und mich schnell in Sicherheit bringen.
Um diese berechtigten Ängste geht es Klaus Douglass auch gar nicht. Er spricht von den vielen unguten, einengenden und bedrohlichen Lebensängsten. Wer weiß, dass Gott bei ihm ist, hat für solche unguten Ängste eigentlich keinen Grund mehr.
Aber ich bin nun mal Realist. Ich glaube nicht, dass wir in diesem irdischen Leben jemals ganz ohne Ängste sein werden. Diese absolute Freiheit von Angst wird es nie geben. Ein Mensch, der vor nichts und niemanden mehr Angst hat ist eine Utopie. Diese absolut wahrhaftige Freiheit von Angst wird erst im Himmel möglich sein.
Schon vor vielen Jahren habe ich ein interessantes Buch zum Thema Angst gelesen: Grundformen der Angst von Fritz Riemann. Dieses Buch ist bis heute ein grundlegendes Werk in der Psychologie. Ich glaube nicht, dass die Psychologie uns die entscheidenden Antworten auf unserer tiefsten Lebensfragen geben kann. Aber ich denke die Psychologie kann durchaus helfen, uns selbst als Menschen besser zu verstehen.
Fritz Riemann geht davon aus, dass wir alle von Ängsten bestimmt werden. Es gibt ganz verschiedene Ängste und es gibt praktisch nichts, wovor man nicht Ängste entwickeln kann. Er stellt aber heraus, dass es unabhängig von Kultur und Zeit in der wir leben, bestimmte Grundformen der Angst gibt.
Nach Riemanns Auffassung gibt es vier typische Ängste, denen jedes menschliche Leben unterliegt. Er ordnet jeweils zwei dieser Ängste einander als Gegensätze zu.
Das erste Gegensatzpaar ergibt sich aus der Frage nach unserem Ich in der Beziehung zu anderen Menschen. Hier gibt es zwei Extreme: Manche Menschen haben Angst vor der Selbstannahme. Sie tun sich unheimlich schwer damit, sich selbst, so wie sie sind, anzunehmen und zu akzeptieren. Sie betonen die Beziehung zum anderen und vernachlässigen sich selbst dabei.
Andere wiederum haben genau die gegensätzliche Angst: Sie haben Angst vor der Selbsthingabe. Sie können sich selbst sehr gut annehmen, aber sie haben Schwierigkeiten damit, andere zu akzeptieren und anzunehmen. Sie sind anderen gegenüber hart und unzugänglich. Sie sind auf sich selbst zentriert und haben Angst davor selbst zu kurz zu kommen.
Auch die anderen zwei Grundformen der Angst sind auch ein Gegensatzpaar. Diese Ängste entstehen aus der Frage nach unserem Ich in Beziehung zu der Zeit.
Manche Menschen haben besonders Angst vor der Veränderung. Sie möchten am liebsten, dass alles immer so bleibt, wie es war und dass sich gar nichts ändert. Sie möchten keine neuen Herausforderungen, sie möchten keine neuen Wege gehen, sondern sie möchten am liebsten beim Alten und Vertrauten bleiben. Das Neue und Unbekannte macht ihnen Angst.
Es gibt aber auch die genau gegensätzliche Angst: Die Angst vor Festlegungen. Manche Menschen fürchten sich vor der Eintönigkeit und dem Festgelegt sein. Sie wollen frei, spontan und flexibel bleiben. Sie tun sich schwer damit, manche Dingen nicht verändern zu können.
Somit haben wir vier Grundformen der Angst, die jeden Menschen in irgendeiner Form bestimmen. Die Angst vor der Selbstannahme und die Angst vor der Hingabe an andere. Die Angst vor Veränderung und die Angst vor dem Stillstand. Riemann betont, dass es diese vier Typen nicht in Reinform gibt. Jeder von uns trägt alle diese Ängste in sich. Nur sind bei jedem Menschen die Ängste unterschiedlich verteilt und die einen tendieren mehr in die eine Richtung, die anderen mehr in eine andere.
Vielleicht sind euch bei der Beschreibung ja manche typische Beispiele eingefallen. Manche Menschen, die z.B. Angst vor der Selbstannahme haben. Leute, die sich ständig selbst schlecht machen und immer nur negativ über sich selbst denken. Andere wiederum haben genau das gegenteilige Problem: Sie haben Angst vor der Hingabe an andere. Sie denken immer nur an sich, an das, was ihnen gut tut und wie sie selbst glücklicher werden können. Der Blick für andere scheint ihnen irgendwie zu fehlen.
Ganz sicher sind euch auch manche Beispiele eingefallen für Menschen, die Angst vor Veränderung haben. Leute, die sich mit aller Kraft am Bisherigen und Gewohnten festklammern. Jede Veränderung versetzt sie in innere Angst und sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Natürlich gibt es auch das gegenteilige Extrem: Leute, die Angst vor Festlegungen haben, die mit festen Strukturen überhaupt nicht zurecht kommen, die ständige etwas Neues brauchen und mit denen man nur sehr schwer einen Termin ausmachen kann, der mehr als zwei Wochen entfernt liegt.
Ihr merkt: Es gibt diese Ängste, und sie bestimmen uns – jeden von uns. Manchmal mehr und manchmal weniger. Manche Angst stärker als die andere. Aber sie sind da – ob sie uns nun bewusst sind oder nicht.
Aber wie ist das jetzt? Klaus Douglass sagt: „Wer weiß, dass Gott bei ihm ist, braucht vor nichts und niemanden mehr Angst haben.“ (S.79) Der Psalmbeter sagt, dass er kein Unglück fürchtet, weil Gott bei ihm ist. Kann der christliche Glaube die Angst ausschalten? Kann das Vertrauen in Gott uns von all diesen Ängsten befreien?
Ihr ahnt wahrscheinlich welche Antwort ich geben werde. Nein! Der Glaube befreit uns nicht von allen Ängsten. Sie sind nach wie vor da. Wir sollten als Christen nicht so tun, als ob plötzlich alles in Butter ist und wir vor nichts und niemanden mehr Angst haben. Jesus selbst sagt es uns: „In der Welt habt ihr Angst.“ (Joh. 16,33) Jesus selbst weiß ganz genau, dass wir trotz allem Glauben und allem Vertrauen auf Gott in dieser Welt Angst haben werden. Er macht uns da keine falschen Versprechungen.
Aber das Entscheidende ist, wie wir mit dieser Angst umgehen. Und da gibt uns Jesus einen wichtigen Hinweis: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh. 16,33) Das ist der Unterschied, den der Glaube macht. Wir wissen, dass die Angst nicht das Letzte und Stärkste ist. Wir wissen, dass es jemand gibt, der stärker ist als die Angst. Wir wissen uns auch in der Angst von Gott gehalten und getragen.
Deswegen kann der Psalmbeter diesen Satz sagen: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ Mit dieser Aussage will er nicht behaupten, dass er überhaupt keine Angst mehr hat, sondern er will sagen, dass gerade mitten in der Angst, gerade im finstern Tal, die Gewissheit da ist, dass Gott bei ihm ist. Er kann mit der Angst umgehen und sie ertragen weil er weiß, dass der gute Hirte an seiner Seite ist und ihn durch die Angst begleitet.
In einer freien Übertragung hat Jörg Zink diesen Vers sehr gut und passend ausgelegt:
„Und wenn die Lichter verlöschen und es dunkel wird,
wenn ich einsam bin, oder krank - und den Tod fürchte -
wenn ich schuldig bin, vor dir, Herr, -
und deine Hand scheinbar verloren glaube,
fürchte ich doch nicht, dich wirklich zu verlieren,
denn du bist bei mir.“
Ja, so ist es bei dem Psalmbeter: Die Finsternis und die Furcht davor ist da. Auch bei jemand, der auf Gott vertraut. Aber die Gewissheit von Gottes Nähe ist stärker.
Vielleicht ist es ein bisschen wie bei dem kleinen Jungen am Anfang der Predigt. Er realisiert beim Erzählen, dass die Angst vor dem Löwen auch noch da sein wird, wenn er groß ist. Aber wenn er weiß, dass die Mama da ist, dann ist diese Angst nur noch halb so schlimm.
Auch als Christen haben wir in dieser Welt Angst, aber wir dürfen wissen, dass derjenige bei uns ist, der die Welt überwunden hat. Auch als Christen stehen wir im Spannungsfeld dieser Grundformen der Angst. Aber wir wissen: Der Gott dem wir vertrauen geht mit uns durch diese Spannungen. Dadurch können wir zwar nicht völlig frei von diesen Ängsten werden, aber wir werden merken, dass sie uns weniger bestimmen und weniger bedrohen.
Der Löwe brüllt und macht uns Angst, aber wir wissen: Neben uns steht derjenige, der den Löwen schon längst besiegt hat.
Amen


Ich möchte noch zum Schluß sagen, dass tiefer Glauben uns von Angst befreit, denn es ist Gott, der die Allmacht hat uns diese Angst in jder Lebenslage und auch im Sterben zu nehmen. Es obliegt seiner Gnade die Angst von uns zu nehmen und ich bin davon überzeugt, dass er dies tut, wenn er in unsere Herzen schaut und tiefen Glauben und aufrichtige Liebe zu ihm darin findet.


Tageengel